In jüngster Zeit rückt das Konzept des Verbündet-Seins, der Vernetzung und Vergemeinschaftung wieder in den Mittelpunkt (queer-)feministischer, genderspezifischer und intersektionaler Theorien und Praktiken. Anti- und dekoloniale Theoretisierungen des politischen und sozialen Wandels setzen die Dimension des Kollektiven ebenfalls zentral. Aktuell weltweit relativ erfolgreiche soziale Bewegungen wie MeToo, Black Lives Matter und Fridays for Future machen deutlich, dass Bündnisse und Solidaritäten gesellschaftspolitisch wirksam sind. Aber auch die vermeintlich gescheiterten, weil brutal niedergeschlagenen sozialen Bewegungen des Arabischen Frühlings und andere politische Kollektivierungen im globalen Süden wie z. B. Precarias a la deriva in Spanien, #NiUnaMenos in Argentinien, der Aurat-Marsch in Pakistan, Pinjra Tod (Break the Cage) in Indien usw. zeigen die Relevanz von kollektiven Prozessen – und sei es im massiven Widerstand von Seiten der jeweils herrschenden Ordnung. Spätestens seit der Covid-19 Pandemie wird auch in den privilegierten Zonen des Globalen Nordens mehr verstanden, wie wir existenziell miteinander verbunden sind, als Mit-Wesen im Sinne eines gemeinsamen in der Welt Sein, in den verschiedenen vergeschlechtlichten und intersektionalen Dimensionen, die mit unterschiedlichen Verletzbarkeiten und Handlungsmöglichkeiten einhergehen: physisch und psychisch, sozial und affektiv, ökonomisch, politisch und geographisch, edukativ und epistemisch. Zugleich wird durch den Klimawandel auf drastische Weise deutlich, wie wir Menschen mit unserer Umwelt und mit der Natur verbunden und auf sie angewiesen sind. Am Beispiel der Konzepte des Mit-Seins und Mit-Werdens queerfeministischer Theoretiker*innen steht auch eine feministische Educare und Care-Ethik des Rücksichtnehmens und der Empathie zur Diskussion. Die Verwobenheit des vergeschlechtlichten Mensch-Seins zeigt, wie wir durch Ko-Konstitutionsverhältnissen in einem steten intra-aktiven Werden ko-existieren.
Bei dieser Arbeitstagung geht es um die Fragen des Verbündet-Seins, um Vergemeinschaftungs- und Solidaritätsprozesse auch im Sinne des Mit-Seins und Mit-Werdens aus feministischer, queer-feministischer und intersektionaler Perspektive. Damit möchten wir beispielsweise folgende Themenfelder verbinden, die wir theoriegeleitet und/oder praxisorientiert, historisch bewusst und zugleich zukunftsorientiert diskutieren wollen:
Erfolge und Herausforderungen queer-feministischer, antirassistischer und intersektionaler Bündnisse in ihren lokalen, regionalen und globalen Verbundenheiten
queere, nicht-heteronormative, inter* und trans* Kollektive und Solidaritäten
feministischer Internationalismus und transnationale geschlechterpolitische Allianzen im Kontext antikolonialer Kämpfe, postkolonialer Auseinandersetzungen und dekolonialer Bewegungen
historische Erfolgsmodelle, Solidaritäten und Bündnispolitiken und ihre Wirkungen in gegenwärtigen sozialen Bewegungen
neue Formen verbundener und verbindender Ontologie- und Ethikverständnisse, die über feministische Care-Ethiken und Edu-Care hinausgehen
Dynamiken des Affizierens und Affiziert-Werdens, affektive Gemeinschaften
Praktiken kollektiver Analysen und Interventionen
Zukunftskonzepte, Utopien und Heterotopien des Mit-Seins und Mit-Werdens im Widerstreit und in Verwobenheit
Die Arbeitstagung wird durch die Österreichische Gesellschaft für Geschlechterforschung (ÖGGF) gefördert.
Kommentar: Andrea Bramberger
Im Kontext von „Social Justice und Radical Diversity“, ein diskriminierungskritisches Bildungsund Handlungskonzept, das auf die Infragestellung und Veränderung von Macht- und Herrschaftsverhältnissen und den darin eingebundenen Diskriminierungsverhältnissen abzielt, entwickelten wir das Konzept des Verbündet-Seins. Es ist eine spezifische Form der Solidarität, eine Art der politischen Freund:innenschaft, bei der die Anliegen der Anderen zu den je eigenen Anliegen werden, ohne paternalistisch zu sein oder identitätspolitische Homogenität vorauszusetzen.
In dem Vortrag stellen wir die Besonderheiten dieses Konzeptes vor und besprechen zudem die Unterschiede zwischen Verbündet-Sein und Bündnissen. Dabei beziehen wir uns exemplarisch auf gegenwärtige Diskriminierungsrealitäten (wie Antisemitismus, Antiromaismus, Rassismus, Sexismus) und fragen nach den Möglichkeiten und Verunmöglichungen des Verbündet-Seins und von Bündnissen im Hinblick auf jene Communities bzw. Einzelpersonen, die im Kontext anti-antisemitischer, antirassistischer, anti-antiromaistischer und queer-feministischer Sprache/Handlungen dagegen aufbegehren. Unsere Überlegungen basieren auf einem Verständnis einer pluralen Demokratie, welches das Aufbegehren gegen jede Form von struktureller Diskriminierung und ihrer systemischen Intersektionalität zugunsten einer Radical Diversity erfordert. Im Vortrag werden die Bedeutungen jener Begriffe, die manchen möglicherweise
noch unbekannt sind, geklärt und auf alle Fragen eingegangen.
Leah Carola Czollek ist Leiterin und Mitbegründerin des Instituts »Social Justice und Radical Diversity«. Sie hat Rechtswissenschaften und Soziale Arbeit studiert, ist Mediatorin, Supervisorin, freiberufliche Trainerin und Dozentin an verschiedenen Hochschulen in Deutschland.
Gudrun Perko ist Mitbegründerin des Instituts »Social Justice und Radical Diversity«, Professorin für Sozialwissenschaften mit den Schwerpunkten Gender, Diversity und Mediation an der Fachhochschule Potsdam (Fachbereich Sozial- und Bildungswissenschaften), Philosophin und Mediatorin.
Literatur zum Verbündet-Sein und zu Bündnissen, u.a.:
Leah Carola Czollek/ Gudrun Perko/Corinne Kaszner/Max Czollek (2019): Praxishandbuch Social Justice und Diversity. Theorien, Training, Methoden, Übungen, vollständig und stark überarbeitete Neuauflage (Erstveröffentlichung 2012), Weinheim/Basel, Beltz/Juventa.
Gudrun Perko (2020): Social Justice und Radical Diversity: Veränderungs- und Handlungsstrategien, Weinheim/Basel, Beltz/Juventa 2020.
Leah Carola Czollek/Gudrun Perko (2014): Das Konzept des Verbündet-Seins im Social Justice als spezifische Form der Solidarität. In: Anne Broden/Paul Mecheril (Hg.), Solidarität in der Migrationsgesellschaft. Befragung einer normativen Gruppe, IDA, Bielefeld: 153-167.
Dieser Beitrag thematisiert ungleiche Machtverhältnisse sowie Prozesse des Othering in der Wissensproduktion und -vermittlung, wobei die Frage im Fokus steht, wie unter den bestehenden Bedingungen Bündnisse ermöglicht werden können. In Form eines kritischen Dialoges möchten wir zunächst zu zweit und schließlich gemeinsam mit den Anwesenden ausgehend von den Entwicklungen der kritischen Wissenschaftsrichtungen der Disability Studies und der Kritischen Migrationsforschung Alternativen zu hegemonialen Ansätzen diskutieren. In einem ersten Schritt thematisieren wir – aus einer explizit feministischen und intersektionalen Perspektive heraus – die Wissenschaftskritik der Disability Studies sowie der Kritischen Migrationsforschung. Besonderes Augenmerk wird dabei auf den Kontext erziehungswissenschaftlicher Forschung und Lehre gelegt, da sich in diesem nicht nur generelle Fragen der Inklusion und Exklusion stellen, sondern auch deutliche Veränderungspotenziale hin zu solidarischen und gemeinschaftlichen Formen des Forschens und Lehrens bestehen. In einem zweiten Schritt führen wir den Begriff der Intersektionalen Inklusion ein, der erstens auf die Praxis der Reproduktion von kategorialen Zuschreibungen durch das Reduzieren komplexer Benachteiligungsmechanismen auf vermeintlich eindimensionale Kategorien (z.B. Behinderung oder Geschlecht oder Migration) verweist. Zweitens stellt der Begriff den Versuch dar, mehrdimensionale Benachteiligungen aber auch Privilegierungen unterschiedlicher Akteur:innen auf allen Ebenen der Wissensproduktion und -vermittlung in den Blick zu nehmen. In einem dritten Schritt präzisieren wir den Begriff der Intersektionalen Inklusion, indem wir diskutieren, inwiefern unsere Konzeptualisierung über den Fokus auf mehrdimensionale Benachteiligungen (Intersektionalität) sowie die Chancengleichheit aller Menschen (Inklusion) hinausgeht. Die Relevanz Intersektionaler Inklusion erläutern wir beispielhaft anhand der notwendigen und nur langsam erfolgenden Annäherung der Disability Studies sowie der Kritischen Migrationsforschung. Abschließend fordern wir alle Anwesenden dazu auf, mit uns in die Diskussion zu gehen und Potenziale sowie Herausforderungen in einer Annäherung unterschiedlicher wissenschaftskritischer Felder aufzeigen. Wir laden dazu ein, zusammen Bündnisse anzudenken, die über diese beiden Felder hinausgehen und sowohl Benachteiligungen aufzeigen als auch Privilegierungen hinterfragen. Gegebenenfalls kann eine positive Definition Intersektionaler Inklusion solidarische Entwicklungen in der Wissensproduktion und -vermittlung anregen und einem Ringen um Ressourcen basierend auf sozialen Kategorisierungen entgegenwirken.
Viktorija Ratković lehrt und forscht an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, wobei die Auseinandersetzung mit Migrationsprozessen und der Rolle der Forschung selbst im Fokus stehen. Dabei fließen u.a. Perspektiven der Frauen- und Geschlechterforschung, der Cultural Studies, der Friedens- und Konfliktforschung, der Migrationspädagogik sowie Post- und Dekoloniale Zugänge ein.
Rahel More ist Universitätsassistentin am Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Arbeitsbereich Sozialpädagogik und Inklusionsforschung. Ihre Forschungsschwerpunkte sind (Dis-)Ability Studies, Elternschaft und Familie sowie Soziale Arbeit, insbesondere in Verbindung mit geschlechterkritischen und intersektionalen Perspektiven.
Der geplante Vortrag betont, dass Differenzen und Konflikte im Rahmen bestehender oder möglicher Bündnisse und Gemeinschaften keineswegs notwendig destruktiv sind oder sein müssen. Ausgangspunkt meiner Überlegungen sind die seit wenigen Jahren vermehrt auszumachenden und kaum abflauenden Debatten zu Identitätspolitik.
Diskussionen zu Identitätspolitik und dazu, was hinter dem Begriff/Phänomen alles an konstruktivem wie auch destruktivem Potential steckt, sind in den letzten Jahren aus dem Dunstkreis aktivistischer Debatten (die als solche auch wissenschaftlich begleitet und inspiriert waren/sind) in die Gefilde des zum Beispiel englisch- und deutschsprachigen Feuilletons sowie die populärwissenschaftliche Blogosphäre vorgedrungen. Ist man um einen Überblick zu dieser heute breit gestreuten, vielgestaltigen und divers ‚verwurzelten‘ Debatte bemüht, kann man auf folgende drei Varianten bzw. Stränge einer Thematisierung von Identitätspolitik stoßen: Erstens scheint der Begriff aktuell für unzählige ‚Stellvertreterkriege‘ Pate zu stehen bzw. herhalten zu müssen. Er ist im Zuge dessen zum klar negativ konnotierten Kampfbegriff avanciert wie vor ihm bspw. schon Political Correctness – und das keineswegs nur in politisch klar nach rechts tendierenden Gruppierungen und Zusammenhängen. Zweitens und parallel dazu sind Debattenbeiträge auszumachen, welche die Tradition emanzipatorisch-identitätspolitischer Bestrebungen, Bewegungen und auch Kontroversen hochhalten. Drittens lässt sich feststellen (und das spiegelt sich, wenn auch oft eher implizit, durchaus auch in den ersten beiden Strängen wider), dass gegenwärtig noch dezidiert um das gerungen wird, was mit dem Begriff „Identitätspolitik“ zuvorderst assoziiert und benannt werden soll und was nicht.
Eine zentrale These, die ich mit meinem Vortrag gerne anhand näherer Betrachtungen dieser drei Stränge verfolgen und plausibilisieren möchte, ist: Wenn Identitätspolitik aktuell von Seiten „Dritter‘ als stets oder vorrangig negativ konnotierte Kategorie (ein-)geführt wird, dann geht damit eine Form der Enteignung einher: Namentlich wird eine der zentralen Selbst-Verständigungschiffren u. a. feministischer Bewegungen diesen abspenstig (und madig) gemacht. Dabei ist zugleich zu berücksichtigen, dass Identitätspolitik als bewegungsinterne Chiffre nicht unbedingt – ja, kaum – auf Konsens zielt(e), sondern stattdessen als ein Ausdruck dafür gelesen werden kann, dass Konfliktlinien und (intersektionale) Differenzen, wenn nicht zelebriert, dann doch denkbar, benennbar und der Diskussion zugänglich gemacht wurden und immer noch werden. Ich lese Identitätspolitik demzufolge konflikttheoretisch als Ausdruck der zuvorderst binnen-konfliktiven Austragung von (sozialen wie epistemischen) Differenzen und Widersprüchen, die der Selbst-Verständigung dient. Eine solche Selbst-Verständigung schließt die Möglichkeit von Spaltungen und ‚Beißreflexen‘ mit ein, verweist aus meiner Sicht aber vor allem auf Potentiale des Verbunden-Seins/-Werdens in Differenz – auf Potentiale, die es auch bewusst nutzbar zu machen gilt
Dr. Michaela Zöhrer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Augsburg und als politische Bildnerin tätig (v.a. kritisches Globales Lernen, Menschenrechtsbildung). Zentrale Interessensschwerpunkte der Soziologin und Friedens- und Konfliktforscherin liegen in den Bereichen Globalisierungsforschung, NGO- und Soziale Bewegungsforschung sowie (Visual) Cultural Studies. Inspiriert von u.a. feministischen und postkolonialen Epistemologien setzt sie sich aktuell verstärkt mit Politiken der Differenz auseinander.
Kommentar: Andrea Bramberger
https://classroom.aau.at/b/kop-xpb-sjf-nzy
Szolty/ Berger; Reitinger/Heimerlich/Pichler; Koch/Schöffmann; Isop/Hammer
Moderation: Claudia Brunner
https://classroom.aau.at/b/kop-xpb-sjf-nzy
Politische und akademische Feminismen der westlichen Hemisphäre sehen sich irritierenden Gleichzeitigkeiten gegenüber. Einerseits sind ‚Erfolge‘ in Geschlechtergerechtigkeit unbestreitbar. Andererseits sammeln sich antifeministische Fronten gegen alles, was mit dem Wort Gender zusammenhängt. Einerseits begann man Europa zu provinzialisieren und ein Bewusstsein strukturellen Rassismus zu entwickeln. Andererseits wurden zu Recht uneingestandene weiße Privilegien kritisiert. Einerseits halfen Zauberworte wie Intersektionalität, Dekolonialität, Black Lifes Matter und Hegemonieselbstkritik, dem Wunsch nach Verbündung/Verbindung entgegen zu kommen. Andererseits können sie die Schärfen und Hierarchien unterschiedlicher Diskriminierungserfahrungen nicht aus der Welt schaffen. Das macht eine stetige Hegemoniekritik an politischen Gegnerinnen und Freundinnen erforderlich.
Dem Konferenztitel „Apart – Together – Becoming with“ liegt ein zweifacher Wunsch zugrunde: Einerseits soll nach Knotenpunkten gesucht werden, Kämpfe gegen Sexismus, Rassismus, Klassismus und Homo- und Transphobie nicht in stetig zerbrechende Einheitsfronten zu überführen, sondern sie immer wieder punktuell und aufs Neue zu verknüpfen je nach Fragestellung und Konfliktfeld. Und andererseits sollen Bühnen erkundet werden, die geeignet sind, Unterschiedlichkeiten zu zelebrieren, Allianzmöglichkeiten zu suchen und sich immer wieder neu zu denken und zu entwickeln. Bewegungen wie die Frauenbewegung, aus der die verschiedenen Feminismen entstanden sind, haben nur dann eine politische Zukunft, wenn sie in Bewegung bleiben, und nicht zu einer Klientelpolitik einer Betroffenengruppe erstarren.
Gabriele Dietze ist travelling scholar. Sie lehrt und forscht zu Gender, Race, Media, Sexualpolitik und zur Rechtspopulismus in der HU Berlin und am Dartmouth College N.H.. Aktuell ist sie Fellow der Volkswagenstiftung mit dem Corona-Projekt »Quarantine Culture« und regelmäßige Beiträgerin des Gender-Blogs der Zeitschrift für Medienwissenschaft.
Response: Gundula Ludwig
Der Vortrag lotet die Rolle von Wut - im Spannungsfeld von Angst und Mut - in ihren gesellschaftlichen und ethischen Implikationen aus. Für das Individuum liegt in der Wut eine Möglichkeit, gesellschaftliche Missstände zu erkennen. Gleichzeitig kann für die Zuschauenden diese Wut grenzenlos und scheinbar ohne Anlass sein. Es ist nicht klar, ob Wut sich auf eine Situation bezieht und diese neutral „auswertet“, oder sich das Gefühl der Wut einstellt, wenn wir uns in Situationen befinden, in denen wir gelernt haben, Wut zu empfinden. Was genau ist Wut und welchen Stellenwert hat sie für die Möglichkeit des Individuums, Erkenntnisse über gesellschaftliche Missstände oder die eigene Position in der Gesellschaft zu erlangen? Ist Wut ein neutrales Gefühl, über das wir die Welt auswerten? Ist sie näher an Angst oder an Hass? Hat sie etwas mit uns selbst und unseren eigenen Werten zu tun oder ist sie von gesellschaftlichen Erwartungen geprägt? In dem Vortrag unternehme ich eine phänomenologisch-feministische Untersuchung der Rolle und der Angemessenheit von Wut für gesellschaftliche Missstände. Die Analyse nimmt sich als Gegenstand die Frage, woher wir wissen können, dass unsere Wut angemessen ist. Hierzu diskutiere ich diese Fragen anhand von zwei feministischen Ansätzen zu einer phänomenologisch-kritischen Gefühlstheorie, die von Sara Ahmed und Agnes Heller.
Als Beispiel sollen feministische Widerstandspraktiken untersucht werden, in denen Wut die zentrale Emotion zur Formierung von Widerstand ist. Dazu sollen feministische Selbstverteidigungspraktiken untersucht werden, in denen die Umwandlung von Angst in Wut zentral ist, wie sie etwa von der Kampfkünstlerin und Selbstverteidigungslehrerin Sunny Graff in ihrem Buch „Mit mir nicht!“, sowie in Elsa Dorlins „Selbstverteidigung - Eine Philosophie der Gewalt“ vorgestellt werden.
Dabei soll nicht nur die Wut allein, sondern mit den phänomenologischen Ansätzen das Feld der Wut in Abgrenzung an Empörung, Zorn, Ärger ausgelotet werden. Im Zusammenhang mit anderen Gefühlen, wie Angst und Mut, werden verschiedene Richtungen der Wut angezeigt, die etwas über die emanzipatorisch oder - auch ihrem Gegenteil - die ohnmächtige Seite der Wut zeigen. Es wird auch darum gehen, die Abgrenzung zu Hass als einem feindlichen Gefühl, und Wut als einem selbstermächtigenden Gefühl herauszuarbeiten.
Dr. Mareike Kajewski promovierte 2017: Thema „Die Spontaneität revolutionären Handelns“. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hildesheim/Institut für Philosophie. Mitglied im „AK Feministische Kritik“. Aktuelle Publikationen: Die Spontaneität revolutionären Handelns, Weilerswirst 2020; „Das Politische im Antropozän –Weltentfremdung und Widerstandspraktiken“; in: AZP, Heft 45.2, Stuttgart- Bad Cannstatt 2020
Nur unter großen Anstrengungen haben in den vergangenen Jahren Betroffene und Überlebende rechter Gewalt ihre Perspektive und ihre Erfahrungen hör- und sichtbar machen können; vielfach stritten sie als Teil von oder in Kooperation mit aktivistischen Zusammenhängen dafür, dass rechte Gewalt in seiner politischen Funktion als soziale Platzanweisung wahrgenommen wird und dabei auch die strukturellen Diskriminierungs- und Ausschließungsmechanismen thematisiert werden.
Das partizipatorisch angelegte Projekt „Doing Memory an rechte Gewalt“ rekonstruiert solche Kämpfe; es rückt dabei Praktiken des Erinnerns an rechte Gewalt und ihres ‚Vergessens‘ in seiner historischen, politischen und sozio-ökonomischen Bedingtheit in den Mittelpunkt. Damit zeigt es einerseits die Kontinuitäten alltäglicher, institutioneller und struktureller Diskriminierung und Gewalt auf, macht andererseits aber auch die Praxen des politischen Widerstands von Betroffenen und solidarischen Unterstützerinnen sichtbar. Schließlich diskutiert es die Voraussetzungen, um Doing Memory an rechte Gewalt zu einer von solidarischen Bündnissen getragenen „intersektionalitätsbewussten Erinnerungspraxis“ (vgl. Leidinger 2015: 35) zu machen.
Praxen des Erinnerns an rechte Gewalt sind in ihrer Zielsetzung, Einfluss auf die hegemoniale Erzählung und damit auch die Regeln zu nehmen, wie wessen und welche Erinnerungen in öffentlichen Räumen artikuliert und in einer Gesellschaft relevant gesetzt werden, notwendig konflikthaft. Dies zeigt sich an vielen Orten, an denen die Betroffenen und Unterstützerinnen aus einem Doing Memory an rechte Gewalt ausgeschlossen worden sind und werden: Erst kürzlich wurde dem Vater des in Hanau am 19. Februar 2020 ermordeten Ferhat Unvar der Zugang zu einer Bühne verweigert, auf der Bundespräsident Frank-Peter Steinmeier den rechtsterroristischen Terroranschlag „unerklärlich“ nannte. Die Chancen des Erinnerns an rechte Gewalt aus der Perspektive Betroffener sind aber nicht allein aufgrund fehlender Ressourcen prekär; auch wenn Betroffene offensiv sprechen und Forderungen erheben, trifft ihr Sprechen häufig auf „selective hearing“ oder „strategic deafness“ (Abena Busia 1989/90, zit. nach Dhawan 2012: 52).
Im Mittelpunkt der Kämpfe um anerkennende Erinnerung stehen bisher vor allem rechte Gewalttaten, die aus antisemitischer oder rassistischer Motivation begangen wurden. Erst langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass bei zahlreichen solcher Gewalttaten antifeministischer Frauenhass handlungsleitendes Motiv war. Diese werden vielfach als ‚tragische Beziehungstat‘ interpretiert oder mit ‚Eifersucht‘ erklärt. Ein genauerer Blick offenbart jedoch auch hier, dass die Taten, die sogar explizit mit Frauenhass begründet werden, auf gesellschaftlichen Macht- und Gewaltstrukturen aufsetzen. Der Vortrag buchstabiert die Perspektive eines Erinnerns an rechte Gewalt gegen Frauen aus und stellt Kämpfe um Anerkennung vor. Erinnern an Gewalt, das gesellschaftliche Auseinandersetzung ermöglicht und Konflikte freilegt, so dass das derzeit nicht-hegemoniale Wissen und eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Glauben an weiße, männliche Vorherrschaft gesellschaftstransformierende Resonanzen hervorrufen kann, benötigt ‚radikale Multiperspektivität‘ (vgl. Bull/Clarke 2020: 5). Ohne die Erfahrungen und Perspektiven der Betroffenen und Überlebenden ist ein solches Erinnern schlichtweg undenkbar; es darf ihnen aber nicht alleine aufgebürdet werden und bedarf der politischen Durchsetzung symbolischer und materieller Voraussetzungen. Welche dies sind, diskutieren wir anhand ausgewählter Praktiken des Erinnerns an rechte Gewalt gegen Frauen, die darauf zielen, in hegemoniale Erinnerungserzählungen einzugreifen – dies beinhaltet zentral auch die Frage nach bündnispolitischen Perspektiven (vgl. Perinelli 2020: 356) und den Möglichkeiten, das Leid der Opfer zu beklagen, den gesellschaftlichen Kontext von Frauenhass kritisch aufzurufen und für gleiche Rechte in einer Gesellschaft der Vielen einzutreten.
Dr. Tanja Thomas ist Professorin für Medienwissenschaft mit dem Schwerpunkt Transformationen der Medienkultur an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre richten sich auf (Kritische) Medien-, Kommunikations- und Kulturtheorien, Mediensoziologie, Feministische Medien- und Kommunikationswissenschaft, Cultural (Media) Studies und Memory Studies. In ihren aktuellen Forschungsprojekten widmet sie sich der Analyse von Protest in postmigrantischen Gesellschaften sowie Praktiken der Erinnerung an rechte Gewalt in gegenwärtigen Medienkulturen.
Dr. Fabian Virchow ist Professor für Theorien der Gesellschaft und Theorien politischen Handelns an der Hochschule Düsseldorf; dort ist er in der Studiengangsleitung des MA Empowerment Studies. Als Leiter des Forschungsschwerpunktes Rechtsextremismus forscht und publiziert er seit vielen Jahren zur Geschichte, Weltanschauung und Praxeologie der extremen Rechten sowie zu gesellschaftlichen Antworten auf menschen(rechts)feindliches politisches Handeln.
Literatur
Bull, Anna Cento/Clarke, David (2020): Agonistic interventions into public commemorative art: An innovative form of counter-memorial practice? In: Constellations. An International Journal of Critical und Democratic Theory. Online first (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/1467-8675.12484), 1–15.
Dhawan, Nikita (2012): Hegemonic Listening and Subversive Silence. Ethical-political Imperatives. In: Lagaay, Alice/Lorber, Michael (eds.): Destruction in the Performative. Amsterdam, New York: Brill, 47–60.
Leidinger, Christiane (2015): Zur Politik der Platzbenennung. Überlegungen für eine Geschichtspolitik und historische Erinnerungskultur als gegenhegemoniale Wissensbildung entlang von Intersektionalitäts(- bewusstsein), Empowerment und Powersharing. In: Invertito. Jahrbuch für die Geschichte der Homosexualitäten, 17/2015, 9–47.
Perinelli, Massimo (2020): 30 Jahre NSU-Komplex – 30 Jahre Migrantifa. Postmigrantische Selbsbehauptung von Mauerfall bis heute. In: Lierke, Lydia/Perinelli, Massimo (Hg.): Erinnern stören. Der Mauerfall aus migrantischer und jüdischer Perspektive. Berlin: Verbrecherverlag, 339–359.
Global erleben wir eine Verschärfung imperialistischer Krisen und aggressiver Außen- sowie Innenpolitik, deren Produkt unter anderem die Kriege in Syrien, Kurdistan, dem Yemen und Afghanistan sind. Diese imperialistischen Kriege werden zentral mit femonationalistischen Argumenten von rechten Parteien, demokratisch-staatlichen Institutionen und feministischer Akteur:innen propagiert und mitgetragen. Völlig zerstörte und instabile Länder, weit entfernt von Frieden, werden so auch mithilfe femonationalistischer Narrative hinterlassen.
Im Zuge der imperialistischen Krise in Europa ab spätestens 2015, welche medial als „Flüchtlingskrise“ Verbreitung fand, sehen wir dazu einen deutlichen Rechtsruck, der zentral mit femonationalistischen Argumenten versucht männliche Asylsuchende als „Gefährder“, vor allem für weiße Frauen darzustellen und weibliche Asylsuchende als zu rettende Opfer aus als eindimensional rückständig und patriarchal verorteten Gesellschaften. Dieser Rechtsruck geht einher mit der normalisierten Verleugnung der strukturellen und alltäglichen Existenz rassistischer Gewalt und Aggression für nicht-weiße Menschen in ganz Europa. Rechte Politiker:innen von AfD bis FPÖ dürfen unter dem Deckmantel der „demokratischen Redefreiheit“ rassistische „Wir“-Mythen verbreiten, sowie die Dazugehörigkeit vieler nicht-weißer Menschen offen anhand rassistischer Merkmale leugnen. Sexualisierter Rassismus ist nicht nur als vereinzeltes und den bürgerlichen Parteien peinliches Phänomen (SPD’s Thilo Sarrazin mit seinen Genetik-Fantasien) sichtbar, sondern nun offen in der Mitte der Gesellschaft angekommen (siehe rassistischer Skandal um den Großunternehmer und Aufsichtsratsvorsitzenden von Schalke 04 Clemens Tönnis, der Afrikaner:innen riet Kraftwerke zu bauen, damit die Menschen aufhörten „wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren“).
Es ist aber auch eine Zeit der Verstärkung von lokalen Widerständen gegen genau diese feministisch-imperialistische Politik – außen- sowie innenpolitisch.
Unser Paper zeigt auf, was der Unterschied zwischen femonationalistischen und feministischimperialistischen Argumentationen und Handlungen ausmacht, und fragt sich: Welche Art von Feminismus kön nen wir heute noch verteidigen? Im Rahmen marxistisch-feministischer Analysen diskutieren wir außerdem, welchen antihegemonialen Beitrag die institutionelle Geschlechterforschung in Zeiten enormen Rechtsrucks und imperialistischer Aggressionen im In- und Ausland leisten könnte und fragen: Warum tut sie dies nicht
Eleonora Roldán Mendívil, M.A. Internationale Politische Theorie, Doktorandin am Institut für Entwicklungspolitik und Postkoloniale Studien, Universität Kassel. Dozenturen an der Freien Universität Berlin, Universität Kassel, Universität Wien, Universität Potsdam und Hochschule Mittweida. Mitarbeiterin in der Abteilung Bildung und Vermittlung der Stiftung Deutsches Historischens Museum - Berlin.
Chandrika Yogarajah, B.A. Politikwissenschaft der Johannes Gutenberg Universität Mainz. M.A.-Kandidatin Moderne Süd- und Südostasien-Studien an der Humboldt Universität zu Berlin. Freie Journalistin, Filmemacherin, Fotografin und Malerin.
Literatur:
Mahendran, Susheela, Sara Morais dos Santos Bruss und Eleonora Roldán Mendívil (2.12.2019): Femonationalismus und rassistische Hetze, in: Klasse gegen Klasse, https://www.klassegegenklasse.org/femonationalismus-undrassistische-hetze/, letzter Zugriff am 4. November 2020.
Bildet Banden!‘ – Aber wie?! Schlagkräftige Allianzen und kritische Bündnisse für gesellschaftliche Veränderungen werden in Zeiten multipler Krisen, in denen autoritäre, patriarchale, rassistische, klassistische und (hetero-)sexistische Muster weiter an Aufwind gewinnen, umso dringlicher. Doch verbleibt die Schwierigkeit groß, für den Zusammenschluss gemeinsame Gegner:innen auszumachen, sowie nach gemeinsamen Forderungen und kollektiven Handlungsmöglichkeiten zu fragen. Diese (Un)Möglichkeiten feministischer Allianzbildung werden in Debatten der kritischen Geschlechterforschung sowie der feministischen Theorie breit diskutiert (vgl. u.a. Susemichel und Kastner 2018; Dowling et al. 2017; Purtschert 2017; Hark 1999). In dem vorliegenden Konferenzbeitrag möchte ich in dieser Debatte eine alltags- und hegemonietheoretische Perspektive für die kritische Geschlechterforschung stark machen, die bislang noch nicht ausreichend Aufmerksamkeit erfahren hat.
So argumentiere ich im Anschluss an die feministische Politikwissenschaftlerin Brigitte Bargetz (2016), dass zur kritischen Allianzbildung dem alltäglichen Leben eine zentrale Rolle als ambivalenter Kampfplatz zukommt. Zum einen verfestigen sich im alltäglichen Leben Herrschaftsverhältnisse in ihrer intersektionalen Verwobenheit, zum anderen bietet der Alltag Möglichkeiten des emanzipatorischen Widerstands. Um zu verdeutlichen, inwiefern feministische Allianzen im Alltäglichen beginnen (und enden können), schlage ich die Ergänzung um eine hegemonietheoretische Perspektive vor. Hegemonietheoretische Arbeiten (u.a. Ludwig 2007) im Anschluss an den marxistischen Philosophen Antonio Gramsci (2012) legen den Fokus auf die Ideen, welche das alltägliche Leben konstituieren. Diese Ideen bestimmen in ihrer Verdichtung Erzählungen darüber, was in bestimmten Gesellschaften zu bestimmten Zeiten als normal und richtig und damit als alternativlos gilt, und worüber gesellschaftlicher Konsens herrscht – wie „das bipolare Alltagsverständnis von Geschlecht in unserer Gesellschaft“ (Graf et al. 2013, S. 188). Gramsci benennt diese Erzählungen als Common Sense, aus welchem gängige Maßstäbe nicht nur des Denkens, sondern auch des Handelns resultieren. In den Common Sense werden „Normen, Werte und Moralvorstellungen“ integriert, „die in zivilgesellschaftlichen Institutionen [...] ausgearbeitet werden“ (Ludwig 2007, S. 198).
Common Sense stellt somit ein machtvolles Instrument im Kampf (zivil)gesellschaftlicher Kräfte dar, welches kollektive Identifizierung und damit auch kollektive Handlungen alltäglich (un)möglich macht: Im Common Sense, so werde ich in einem ersten Schritt argumentieren, als „single story“ (Adichie 2009) der Zustimmung zu herrschaftlichen Verhältnissen manifestiert sich die Verunmöglichung kritischer Allianzen. Common Sense kann aber ebenso, wie ich unter Rückgriff auf Gramscis Philosophie der Praxis in einem zweiten Schritt argumentieren werde, unter bestimmten Bedingungen auch das nötige Lösungspotenzial bieten, um fruchtbaren Boden für kritische Allianzbildung zu ermöglichen.
Henrike Bloemen, M.A.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin & Doktorandin, Professur für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt der Theorie und Politik von Geschlechterverhältnissen |Geschäftsführerin, Zentrum für Europäische Geschlechterstudien (ZEUGS), Universität Münster.
Literaturverzeichnis
Adichie, Chimamanda Ngozi (2009): The danger of a single story. TEDGlobal. TED Talks, 2009. [URL]: https://www.ted.com/talks/chimamanda_ngozi_adichie_the_danger_of_a_single_story/transcript?language=en, zuletzt geprüft am 05.01.2021.
Bargetz, Brigitte (2016): Ambivalenzen des Alltags. Neuorientierungen für eine Theorie des Politischen. Bielefeld: Transcript.
Dowling, Emma; van Dyk, Silke; Graefe, Stefanie (2017): Rückkehr des Hauptwiderspruchs? In: PROKLA 47 (188), S. 411–420.
Graf, Julia; Ideler, Kristin; Klinger, Sabine (Hg.) (2013): Geschlecht zwischen Struktur und Subjekt. Theorie, Praxis, Perspektiven. Opladen: Budrich.
Gramsci, Antonio (2012): Gefängnishefte. Kritische Gesamtausgabe. 10 Bände. Hg. v. Klaus Bochmann und Wolfgang Fritz Haug. Hamburg: Argument.
Hark, Sabine (1999): deviante Subjekte. Die paradoxe Politik der Identität. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Ludwig, Gundula (2007): Gramscis Hegemonietheorie und die staatliche Produktion von vergeschlechtlichten Subjekten. In: Das Argument. Zeitschrift für Philosophie und Sozialwissenschaft 49 (270), S. 196–205.
Purtschert, Patricia (2017): Es gibt kein Jenseits der Identitätspolitik: Lernen vom Combahee River Collective. In: Widerspruch - Beiträge zu sozialistischer Politik, 36(1), S. 15-22. Rotpunktverlag
Susemichel, Lea; Kastner, Jens (2018): Identitätspolitiken. Konzepte und Kritiken in Geschichte und Gegenwart der Linken. 1. Auflage. Münster: Unrast.
Solidarität stellt eine Grundbedingung gesellschaftlicher Kämpfe dar, um gesellschaftliche Veränderungen zu adressieren und Gleichstellung gemeinsam zu erreichen. Die Idee, gemeinschaftlich gesellschaftsrelevante Veränderungen anzustoßen, steht jedoch vor mehreren Herausforderungen. Einerseits lässt sich fragen, wie vor dem Hintergrund einer individualisierenden Herrschaftsordnung überhaupt gemeinschaftliche Ziele anvisiert werden können. Andererseits entsteht die Herausforderung, unterschiedliche Subjektpositionen, Begehrensordnungen und Sorgeökonomien in einer solidarischen Haltung zu beachten. Gerade derzeit – in der weltweiten Bedrohung durch das Corona Virus – steht die Rede von Solidarität als moralischer Maßgabe und ‚neuem‘ gesellschaftlichen Modus hoch im Kurs. Gleichzeitig lässt sich eine Verschärfung sozialer Ungleichheit beobachten und die geforderte gesellschaftliche Solidarität wird hoch selektiv und individualisiert gedacht. Die Regeln zu Pandemiebekämpfung, #stayathome-Appelle und Impfpolitiken adressieren ökonomisch und geo-politisch privilegierte, heteronormative, weiße Lebensweisen der Mehrheitsgesellschaft, während rassistische Migrationsregime, ökonomische Ungleichheiten und globale ökologische Katastrophen weiter als Einzel-Schicksale dethematisiert werden, die mit dem großen Ganzen wenig zu tun haben.
Afropessimistische (Sharpe (2015); Wehelieye (2016); Wilderson (2007)); post- und dekoloniale (Lugones 2016); queerfeministische (Butler 2008) Ansätze und kritische Migrationsforschungen (Guttíerez-Rodíguez 2018) haben seit langer Zeit darauf verwiesen, dass solidarisches Handeln dort ansetzen muss, wo Herrschaftslogiken uns in heutige Subjektpositionen subjektiviert haben. Aus afropessimistischer Perspektive bedeutet dies, die Weltordnung und Subjektkonstellationen in ihr als Formation zu analysieren, die auf Sklaverei und ihren Zusammenhang mit der ökonomischen Ordnung basiert. Schwarze und nicht-hegemoniale queere Subjekte lassen sich darin einzig als Positionen verstehen, die in hegemonialen Ordnungen nicht existieren. Deren hegemoniale Nicht-Existenz verdeutlicht sich erneut in der Corona-Krise, weil sie wenig bis gar nicht bedacht werden, noch werden Maßnahmen zu tiefgreifenden Veränderungen getroffen, die diese Subjekte, die Natur und die Umgebung schützen.
Vor diesem Hintergrund wollen wir fragen, was Solidarität bedeuten kann und muss, um Subjektivierungsweisen innerhalb und gegen hegemoniale Ordnungen, Natur- und ökonomische Verhältnisse zu adressieren und zu verändern und dabei gleichzeitig Relationalität und gesellschaftliche Verletztlichkeit zum Ausgangspunkt zu nehmen. Unsere Frageperspektive richtet sich dabei auf Konzepte, die von einer ‚Intersektionalität der Kämpfe‘ (Davis 2017) ausgehen. Anhand von drei bewegungspolitischen Beispielen (schwul-lesbisch und queere Klassenpolitiken // schwarze feministische Perspektiven // aktuelle, widerständige Praxen der Migrantifa-Bewegung) plädieren wir für eine Konzeption von Solidarität, die sich als politische Solidarität über das utopische Begehren nach einem besseren Leben für alle konstituiert. Unsere These ist, dass sich in der Verbindung dieser bewegungspolitischen Erfahrungen Solidarität als kollektive, intersektionale und widerständige Praxis denken lässt.
Tarek Shukrallah (B.A.) ist Politikwissenschaftlerin und Aktivistin in sozialen, migrantischen bzw. antirassistischen sowie queeren Bewegungen und betreibt die digitale skill-sharing-Plattform partizipieren.org. Aktuell studiert Tarek Shukrallah gefördert durch die Rosa Luxemburg Stiftung Global Studies an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Inga Nüthen, Dipl.-Pol., ist wissenschaftliche Mitarbeiter*in am politikwissenschaftlichen Institut der Philipps-Universität Marburg im Arbeitsbereich Politik und Geschlechterverhältnisse. Ihre Interessensschwerpunkte sind queer_feministische, politische Theorien, queere Klassenpolitiken sowie intersektionalitäts- und geschlechterbewusste (digitale) Lehre/Bildungsarbeit.
Denise Bergold-Caldwell, Dr. (phil.)ist wissenschaftliche Referentin am Zentrum für Gender Studies der Philipps-Universität Marburg. Die Interessenschwerpunkte der promovierten Erziehungswissenschaftlerin liegen in schwarzer feministischer, kritischer post- und dekolonialer, sowie in Bildungstheorie(n).
Eine zentrale Errungenschaft der bei dieser Tagung zu feiernden gesellschaftskritischen und feministischen Frauen*-/Geschlechterstudien ist die Etablierung partiellen und situierten Wissens in den Human-/ Sozialwissenschaften. Dies wird v.a. über die Priorisierung von emotionalen und körperlichen Wissensformen in der Wissensproduktion erreicht. Aber: Wie oft schaffen wir wirklich Wissen mit dem Körper und wie oft diskutieren wir es über Körper? Wie oft führen wir unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse wirklich auf? Wie geschieht Verbindung und becoming-with ganz körperlich? Wie bringt diese Art von Wissen Herrschaft in die Krise und leitet Transformationen ein? Wie ist unsere Wissenschaft (körperlich) in sozialen Bewegungen verankert? Bei einer Online-Konferenz: Wie ist es (un)möglich, Verbindungen über das Internet zu schaffen, die Emotionen und Körperlichkeit mit einbeziehen?
In post-und dekolonialer, feministischer und performativer Autoethnographie (nach Tami Spry) verweben sich thematische und empirische Forschung, Methodenreflexion und dekolonialfeministische Wissenschaftstheorie mit politischer Praxis und meinem eigenen konkreten In-der-Welt-Sein. Mit der Frage, was das Selbst eigentlich ist, rückt der Körper der Forschenden in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses (in diesem Fall eines privilegierten, weißen, akademischen Mannes mit unterschiedlichsten Verbindungen zu dekolonialen, feministischen Kämpfen). Wie repräsentieren wir „das Andere“ in dem Bemühen mit ihm eins zu werden?
In meinem Forschen an sozial-ökologischen Themen und in deren Bewegungen sind Ökologien lebende Systeme und Handelnde und nicht objektifizierbar. Das Selbst als Mit-Wesen zu beforschen geht nur als „Thinking-Feeling with the Earth“ (Escobar 2020, sentipensar con la tierra). Mir geht es darum in meinem In-der-Welt-mit-Sein, Intersektionales und Verbindendes, queere (Öko-)Feminismen und dekoloniale Praxen herauszuarbeiten. Immer wieder stoße ich aber an Grenzen, reproduziere Unterdrückung in Form von Patriarchat, Rassismen und Extraktivismen. Dann hilft es oft, mich dafür verwundbar zu machen, mich selbst verletzlich zu zeigen und meine ultimative Fehlbarkeit, mein Unverständnis und meine Unwichtigkeit im Aktivismus einzugestehen. Nur dann ist wahre Verbindung möglich, in der ich anerkenne, was alles schon erreicht wird. Spry nennt diesen Vorgang „practiced vulnerability“. Es ist ein emotionaler und körperlicher Vorgang, der Wissen schafft. „Verletzlichkeit zeigen“ ist eine zentrale feministische Dimension einer „Verbindung mit“. Es ist eine Möglichkeit männliche Privilegien aufzugeben und zu reflektieren, wie toxische und hegemoniale Männlichkeiten auch männliche Körper zeichnen (vgl. Anzalduá 2009, bodies as maps).
Joschka Köck ist Doktorand in Politikwissenschaft an der Universität Kassel zu Beiträgen des Theaters der Unterdrückten zur sozialökologischen Transformation und partizipativer Theatermacher, v.a. mit Theater der Unterdrückten Wien.
Keywords: Performative Autoethnographie, Thinking-feeling-with the Earth, Sprache der Performance und des Beitrags: Bevorzugt Englisch (da die Dissertation auf Englisch verfasst wird), Deutsch ist ebenso möglich.
https://classroom.aau.at/b/kop-xpb-sjf-nzy
Kommentar: Brigitte Bargetz
Das Konzept der Solidarität wird im Bereich der kritischen Organisationsstudien viel diskutiert, insbesondere in Verbindung mit den Themen- und Forschungsfeldern Inklusion, Diversität und Differenz. Üblicherweise wird Solidarität hier als Widerstandspraxis gegenüber identifizierten Problemen oder als Ansatz zur Bildung von alternativen Handlungsmöglichkeiten verstanden. Solidarität bleibt somit immer Mittel zum Zweck statt eigenständiges Ziel und klar definiertes Konzept. In diesem Beitrag wird Solidarität als Form der Kritik konzeptualisiert.
Die Autorin verbindet Theorien und Kritikansätze des Schwarzen Feminismus, der Critical Race Theories und der Normkritik und entwickelt darauf basierend das Konzept der ‚Everyday Solidarity‘. ‚Everyday Solidarity‘ beschreibt eine kontinuierliche Kritikpraxis gegenüber normativen Machtstrukturen, welche die exkludierenden Auswirkungen dieser aufzeigt jedoch gleichzeitig auch zukunftsorientierte Alternativszenarien entwickelt. Die theoretische Analyse wird anhand von empirischem Material in Form von Interviewdaten aus dem Kontext des dänischen Hochschulsystems veranschaulicht.
Die Konzeptualisierung von ‚Everyday Solidarity‘ eröffnet eine neue Perspektive auf die Verbindung von Solidarität und Kritik. Darüber hinaus leistet sie einen Be trag zum Kritikverständnis in den Organisationsstudien. Durch die Etablierung von Solidarität als Form der Kritik kann diese als Konzept im Zentrum der kritischen Organisationsstudien positioniert werden und dadurch Ansatzpunkt für theoretische, methodologische und praktische Entwicklungen werden.
Bontu Lucie Guschke, PhD Studentin, Copenhagen Business School, beschäftigt sich in ihrer Forschung aus queer-feministischer und anti-rassistischer Perspektive mit Belästigung und Diskriminierung in zeitgenössischen Arbeitskontexten. Empirisch arbeitet sie im Kontext des dänischen Hochschulsystems.
In dem Vortrag soll es um ein wichtiges Konfliktfeld innerhalb feministischer Debatten gehen: die habituelle Frontenbildung im feministischen Miteinander. Diese können wir zwischen verschiedenen Schulen feministischer Forschung, sedimentiert in politischen Forderungen und offensiv ausgetragen in den Sozialen Medien tagtäglich beobachten. Im Entstehen und Auflösen feministischer Bündnisse heute haben wir es mit einer Gleichzeitigkeit von eingeforderten totalen Positionierungen („my feminism will be intersectional or it will be bullshit“) und einer teilweisen Nicht-Bereitschaft, argumentativ über solche Slogans hinauszugehen (insbesondere im sog. Mainstream-Feminismus), zu tun. Wir ordnen uns einer feministischen Strömung unter und sind gleichzeitig nicht in der Lage, auf feministische Kontrahent:innen einzugehen, anstatt uns nur von ihnen abzugrenzen. Ich stelle deshalb die These auf, dass die Härte und Rigorosität innerfeministischer Labels nicht nur Ausschlüsse produziert, sondern in ihrer scheinbaren Präzision in ihr Gegenteil umschlägt: Vagheit der Argumente und Unfreiheit in feministischer Exploration.
Ich möchte unter Bezugnahme auf die 2013 von Heike Guthoff vorgelegte Studie zur Kritik des Habitus in der akademischen Philosophie vorschlagen, dass Teil des akademischen Habitus nicht nur die rigorose Klarheit („Doing Klarheit“), sondern innerhalb feministischer Kontexte gerade auch die Fetischisierung einer bestimmten Position der Unklarheit ist. Dieses Feld feministischer Theorie, das über Fächergrenzen hinweg Teil an Gender Studies, Kulturwissenschaften, Philosophie und zunehmend auch an außerakademischen Debatten hat, weist einen eigenen Kollektiv-Habitus auf, der zur strikten Frontenbildung neigt und häufig mit der Verwaltung ebendieser Frontenbildung beschäftigt bleibt. Bestimmte Gesten dieses Habitus haben sich in der (queer-)feministischen Praxis entwickelt und treten wechselwirkend mit dem Habitus in den Instituten der Universitäten in Verbindung. Daher beschreibe ich ihn als feministisch-akademischen Habitus.
Ich möchte damit ergründen, weshalb bestimmte habitualisierte Praktiken innerhalb des feministischen Diskurses von den sich positionierenden feministischen Subjekten teilweise totale, unveränderbare und unfehlbare Positionierungen einfordern, die sich als Solidaritäten maskieren, aber tatsächlich Ausdruck einer Politik der Vagheit sind. Diese Vagheit besteht nicht etwa in der eigenen zu Anfang getätigten Positionierung, sondern in der daraus erwachsenden Unfähigkeit, inhaltliche Stellungnahmen der eigenen kritischen Position zu konkretisieren, weil die eingängige Frontenzuordnung eine solche Bereitschaft vielerorts im Keim erstickt. Plädieren möchte ich für Folgendes: die positionsgebundene Härte, die heutzutage den feministischen Diskurs bestimmt, richtet sich teilweise nur gegen andere Feminist:innen, also: die Falschen. Solidarität mit unseren Mit-Feminist:innen bedeutet zwar auch das Hinterfragen unserer und ihrer Positionen, doch im gemeinsamen Kampf füreinander offen sein bleibt die zu meisternde Herausforderung.
Kaja Kröger studiert Philosophie im Master an der Stiftung Universität Hildesheim. Zuvor studierte sie Philosophie und Bildende Kunst an der Stiftung Universität Hildesheim sowie Kulturwissenschaft und Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zu ihren Forschungsinteressen zählen unter anderem Feministische Philosophie, Bilddenken, und Philosophien des Körpers.
Die kapitalistische „extraktive“ Logik, die auf der Ausbeutung von Natur und Mensch zur Produktivitätssteigerung beruht, gerät zunehmend an ihre sozial-ökologischen, aber auch politischen und sozialen Grenzen. Dies äußert sich in verschiedenster Weise, unter anderem in Auseinandersetzungen um den Wert und die Bedeutung von Leben oder, wie es die Philosophin Eva von Redecker (2020) ausdrückt, in der „Revolution für das Leben“: Unterschiedlichste zeitgenössische Bewegungen – Fridays for Future, #Blacklivesmatter oder #Niunamenos – würden in ihrem gemeinsamen Ziel, der Rettung des Lebens vor kapitalistischer Zerstörung, zusammenkommen. Aus unterschiedlichen Positionalitäten nehmen auch postkoloniale und dekoloniale Perspektiven und die environmental humanities Bezug auf ein Verständnis von Leben, das die produktive und widerständige Kraft der vielfältigen Verbindungen zwischen allem In-der Welt-Seienden in den Mittelpunkt stellt. In meinem Vortrag setze ich diese Ansätze in Bezug zu lateinamerikanischen Debatten, in denen das Konzept der „Re-Existenz“ oder „Rexistenz“ vorgebracht wird, um die Verbindung zwischen Widerstand („resistencia“) und bestimmten Arten zu leben („existencia“), die der extraktiven Logik entgegen ständen, zu greifen (Walsh 2013; Lozano Lerma 2016). In diesen Debatten, die aus dem Austausch zwischen Aktivist:innen und Wissenschaftler:innen entstanden sind, spielt die Verbundenheit mit und die Sorge um die Orte, an denen das Leben reproduziert wird, eine große Rolle. Sie haben Bündnisse zwischen urbanen feministischen Bewegungen und indigenen und ländlichen Bewegungen ermöglicht, die, so mein Argument, auf dem strategischen Missverstehen der unterschiedlichen Lebenswelten und territorialen Zugehörigkeiten beruhen.
In meinem Vortrag diskutiere ich die Potentialität solch einer epistemisch-politischen Haltung, die sich gegen die Notwendigkeit stellt, die Anderen verstehen zu müssen, um Gemeinsamkeiten zu erkennen und solidarische Beziehungen eingehen zu können. Ausgehend von meiner Forschung mit peruanischen Aktivist:innen sowie dem Austausch mit dem lateinamerikanischen ökofeministischen Colectivo Miradas Críticas del Territorio desde el Feminismo (s. https://territorioyfeminismos.org) untersuche ich, welche Bedeutung „Leben“ in den jeweiligen Perspektiven besitzt und welche Positionalitäten und Subjektpositionen durch den Diskurs um die Verteidigung des Lebens gestärkt, aber auch marginalisiert werden. Ist es möglich, die auf unterschiedlichen Ontologien beruhenden Verständnisse der Verteidigung des Lebens zu verbinden, ohne dabei zu essentialisieren oder eurozentrische Logiken zu zentrieren? Wie kann eine solche Politik der Solidarität Verbindungen über geopolitische, kulturelle, aber auch ontologische Grenzen hinweg ermöglichen?
Johanna Leiniusist Post-Doc im Graduiertenprogramm “Ökologien des sozialen Zusammenhalts” an der Universität Kassel. Vorher war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Frankfurt Research Center for Postcolonial Studies (FRCPS). Sie ist Mitglied des Sprecher*innenrats der Sektion Politik und Geschlecht der deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft. Ihre Forschungsinteressen sind: postkolonial-feministische und dekoloniale Theorie, lateinamerikanische Frauenbewegungen, Postextraktivismus, politische Ontologie sowie die Politiken kritischer Wissensproduktion und der Konstruktion sozial-ökologischer Alternativen.
Literatur
Lozano Lerma, Betty Ruth 2016: Pedagogías para la vida, la alegría y la re-existencia: pedagogías de mujeresnegras que curan y vinculan. In: [Con]textos 5(19), 11-19.
von Redecker, Eva 2020: Revolution für das Leben. S. Fischer Verlag.
Walsh, Catherine (Hg.) 2013: Pedagogías decoloniales: Prácticas insurgentes de resistir, (re)existir y (re) vivir, tomo 1. Abya Yala
Kommentar: Brigitte Bargetz
Chair: Pauline Roeselnig
https://classroom.aau.at/b/kop-xpb-sjf-nzy
Kommentar: Patricia Zuckerhut
Empowerment – ein Konzept, das in den 1980er Jahren von Feministinnen aus dem Globalen Süden entworfen und auf internationaler Ebene popularisiert worden ist, um Entwicklung aus einer feministischen Perspektive neu zu denken – erfährt seit über zwei Jahrzehnten eine zunehmende Sinnentleerung: instrumentalisiert, depolitisiert, kommerzialisiert und kommodifiziert, wird es insbesondere im Globalen Norden zu einem ‚post-feministischen‘ Mittel, um Machtverhältnisse zu verschleiern, anstatt sie benennbar und damit veränderbar zu machen. Auf T-Shirts gedruckt, muss der Begriff als Slogan kaum noch hinterfragt werden.
Dennoch ist der Blick auf Macht in Empowerment eingeschrieben, der Begriff ohne seine Referenz zu Macht nicht denkbar. Wie brauchbar ist also Empowerment (noch) für gegenwärtige feministische Theorie und Praxis mit intersektionalem Geltungsanspruch? Wie kann das Konzept, aufbauend auf einer reichhaltigen und doch fragmentierten wissenschaftlichen Auseinandersetzung, neu ausgerichtet werden, um an die im Rahmen der Tagung aufgeworfenen Fragen – nach Verbündet-Sein, nach Verbundenheit und existentieller Verschränkung – anschlussfähig zu werden? Wie kann ‚power‘ in Empowerment wieder stärker in den Fokus gerichtet werden, um zur (feministischen) Analyse gegenwärtiger Macht- und Herrschaftsverhältnisse beizutragen? Diesen Fragen soll sich der vorgeschlagene Beitrag zur Konferenz widmen, um so einen zentralen Begriff feministischer Theorie und Praxis für die gemeinsame Debatte zu rekonsturieren.
Ausgehend von einer kurzen Begriffsgeschichte von Empowerment und dessen konzeptuellem Wandel in den letzten Jahrzehnten möchte ich aktuelle Auslegungen von Empowerment im wissenschaftlichen und aktivistischen, feministischen Kontext in den Blick nehmen, um schließlich Ansätze für eine repolitisierte (Neu?-)Konzeptualisierung von Empowerment aus intersektionaler Perspektive vorzuschlagen. Gerade auch die Auseinandersetzung mit früherer Theoriebildung im heutigen Kontext, in Verbindung mit neuen, aktuellen Fragestellungen, ermöglicht es, Fragen nach der Relationalität von Positionalität(en) im Rahmen von Macht- und Herrschaftsverhältnissen auf lokaler, regionaler und globaler Ebene neu einzubringen, um sie als Grundlage gemeinsamer Handlungsstrategien zu nutzen: reclaiming the power of empowerment!
Miša Krenčeyová ist freiberufliche Trainerin (Transkulturalität, Intersektionalität, Gender und Diversität, Empowerment, machtkritische Bildungsarbeit, globales Lernen), Lehrbeauftragte (Uni Wien, AAU Klagenfurt, FHWien der WKW) und war 2019 und 2020 Gastprofessorin am Institut für Internationale Entwicklung der Universität Wien.
Bisher wurden innerhalb feministischer Ansätze Kämpfe für Ernährungssouveränität vor allem im Hinblick auf Frauen aus dem globalen Süden diskutiert. Ausgehend von der brasilianischen Bauernbewegung La Via Campesina ist es feministischen scholar activists gelungen, zentrale Inhalte, Kritiken und Organisationsstrukturen der transnationalenBauernbewegung zu transformieren: das Konzept Ernährungssouveränität umfasst nach der reformulierten Nyeleni-Deklaration 2007 nun als ein wesentliches Ziel Geschlechtergleichheit und Bekämpfung von patriarchaler Unterdrückung bzw. Herrschaft (Forum for Food Sovereignty 2007). Hingegen haben sich in Europa, und v.a. in Deutschland, Österreich und der Schweiz, bisher nur wenige Geschlechterforscherinnen mit Nahrungsmittelproduktion und Landwirtschaft beschäftigt. Angesichts der Diskussionen um Klimawandel, des Aufkommens der sozialen Bewegung Fridays for Future und aktuell der COVID 19-Pandemie ändert sich das momentan: vermehrt werden auch innerhalb von feministischen Bewegungen und Geschlechterforschungen im globalen Norden Ernährungs- und Umweltfragen, solidarische Landwirtschaft sowie die Bedeutung von Lebensmittelproduktion thematisiert. Queer-feministische Zugänge hinterfragen die weiße, heterosexuelle Männlichkeit des Traktorfahrens (Goia/von Redecker 2018) und jüngste feministische Philosophien verknüpfen mit Bezug auf ‚Leben‘ radikalen Klimaaktivismus von Ende Gelände mit kapitalismus- und rassismuskritischen queer Feminismen (von Redecker 2019). Vor diesem Hintergrund stelle ich in meinem Beitrag erstens die zentralen Elemente eines feministischen Modells von Ernährungssouveränität, das intersektional und transformativ ausgerichtet ist. Ich greife dabei hauptsächlich post-/dekoloniale, nicht-essentialistische öko- und queer feministische Überlegungen auf. Im zweiten Schritt untersuche ich Ansatzpunkte für eine geschlechtssensible kollektive Bezugnahme auf Ernährungssouveränität für Frauen* aus dem globalen Süden und Norden mit intersektional verschiedenen Vulnerabilitäten und Handlungsmöglichkeiten. Im Mittelpunkt steht hierbei die Frage, ob trotz eines gemeinsamen Miteinander-in-der-Welt-Seins unterschiedliche/ungleiche Verantwortlichkeiten für u.a. EU-Milchpulverexporte nach Indien und Westafrika, Zunahme fleischintensiver Ernährung in Deutschland etc. bestehen und wie diese zu adressieren sind (Food Sovereignty Alliance India 2017). Abschließend frage ich im dritten Teil, wie vor dem Hintergrund des bereits stattfindenden Klimawandels feministische Allianzen für eine nachhaltige Zukunft möglich sind: Welche Bündnisse zwischen geopolitisch anders bzw. getrennt situierten feministischen Gruppen zeichnen sich im Feld von Ernährungssouveränität ab (Löw 2020)? Wie gehen gesellschaftskritische intersektional und/oder postkoloniale Feminist:innen mit vermeintlich universellen Solidaritäten, Interessen, Bündnissen etc. um (Krishna 2015)? Und wie positionieren sich indigene, communale und/oder populare Feminismen, die Konflikte um Rechte auf Land und natürliche Ressourcen als Mitglied/Teil von nicht explizit feministischen Bewegungen sowie Gemeinschaften (non-feminist others) führen wollen (Paiva 2014; Graneß et al.2019)?
Literatur
Food Sovereignty Alliance India (2017): The Milk Crisis in India: The story behind the numbers.Coventry.
Gioia, Paula/Redecker, Sophie von (2018): Queerfeldein. Queerfeministische Perspektiven auf die Bewegung für Ernährungssouveränität. LuXemburg: Dossier Ernährungssouveränität. https://www.zeitschrift-luxemburg.de/queerfeldein.
Graneß, Anke/Kopf, Martina/Kraus, Magdalena (2019): Feministische Theorie aus Asien, Afrika und Lateinamerika. Wien.
Krishna, Sumi (2015): Women’s Transformative Organizing for Sustainable Livelihoods: Learning from Indian Experiences. In: Rawwida Baksh/Wendy Harcourt (Hrsg.): The Oxford Handbook of Transnational Feminist Movements. Oxford, S. 837–854.
La Via Campesina (2007): Declaration of Nyéléni, 27.02.2007. Nyéléni Village, Sélingué, Mali: Forum for Food Sovereignty. https://viacampesina.org/en/declaration-of-nyi/
Löw, Christine (2020): ‚In Verteidigung unserer natürlichen Ressourcen‘: Postkoloniale ökologische Bewegungen, Geschlechterverhältnisse und die Sicherung von Existenzgrundlagen. In: Johanna
Leinius/Heike Mauer (Hsrg.): Intersektionale und postkolonial-feministische Perspektiven als Instrumente einer politikwissenschaftlichen Macht– und Herrschaftskritik. Opladen, Berlin, Toronto, S. 225-249.
Paiva, Rosalia (2014): Feminismo paritario indígena andino. In: Yuderkys Espinosa Miñoso/Diana Gómez Correal/Karina Ochoa Muñoz (Hrsg.): Tejiendo de otromodo: Feminismo, epistemología y apuestas descoloniales en Abya Yala. Popayán.
Redecker, Eva von (2019): Revolution für das Leben. Philosophie der neuen Protestformen. Frankfurt M.
Kommentar: Patricia Zuckerhut
Unter anderem die Problematisierung von Dualismen als Grundlage von Herrschaftslogiken motivierten Donna Haraway u.a. seit den späten 1980er Jahren zur Thematisierung der Auflösung kategorialer Grenzen zwischen Mensch, Tier und Maschine. Haraways Bild der Cyborgs und später der Gefährt:innen oder Companion Species verfolgen konsequent eine Dezentrierung des Menschen wie auch die Suche nach unterschiedlichsten materiell-semiotischen Akteur:innen. Wenn Haraway in ihren letzten Texten von „multi-species-becoming-with, multi-species comaking“ spricht, geht es ihr über die Konzeption des gemeinsamen Entstehens und Werdens hinaus um das immer schon mehr als Eine:r Seins – was Trinh Minh-ha aus postkolonialer Perspektive als „difference within“ und mit den unendlich vielen Schichten eines „Ich“ beschreibt.
In der feministischen und afro- bzw. afrikafuturistischen sowie postkolonialen Science Fiction (SF) werden die Verhältnisse von Selbst und Anderem sowie die Verwobenheit mit Vielen und das gemeinsame Werden spekulativ erkundet. Haraways theoretische Überlegungen dienen mir als Folie für ein Close Reading der Kurzgeschichten-Trilogie „Binti“ (2015-2019) der nigerianisch-amerikanischen SF-Autorin Nnedi Okorafor. Im Vortrag werde ich also nicht Haraways Theorie referieren, sondern mithilfe der von mir weiterentwickelten Methode eines queer-feministischen, antikolonialen und rassismuskritischen Close Reading darstellen, in welcher Weise die Protagonistin – Binti – in dieser Erzählung mit anderen auf vielfältige Weise mehr als Eine und mehr als menschlich wird: Nicht nur ist sie qua Geburt multi-ethnisch, ihr Werden eng verbunden mit Pflanzen sowie dem Land, auf dem sie lebt, im Verlauf der Geschichte vermischt sie sich mit einer anderen, medusenhaften Spezies und werden Teile ihres Körper mithilfe der Mikroben eines organischen Raumschiffes rekonstruiert, sie ist mit diesem daher physisch und materiell verbunden. Dies hat auch Konsequenzen für ihr geschlechtliches, sexuelles und rassifiziertes Werden. Okorafor stellt hier also gerade kein Becoming ‚Other‘ und auch mehr als ein Becoming With, sondern vor allem ein Becoming More dar. Im Vortrag werde ich daher gerade auch den kreativen, imaginativen Beitrag der Science Fiction zur Theoriebildung ausloten.
Mag.a Dr.in des. Dagmar Fink,Studium der Amerikanistik in Frankfurt am Main, Promotion im Fach Gender Studies an der Universität Basel zum Thema ,Implodierende Dualismen und die performative Kraft des Erzählens. Cyborg-Vorstellungen bei Haraway und in den SF-Feminismen“; seit 2000 Lehrbeauftragte an verschiedenen Hochschulen in D-A-Ch, Mitgründerin und im Beirat des Verbands feministischer Wissenschafter*innen sowie Obperson der ÖGGF. Darüber hinaus Übersetzerin wissenschaftlicher Texte, seit 1996 vorwiegend im Kollektiv gender et alia, seit 2019 außerdem Co-Leitung von Queertactics -queer_feministisches Filmfestival Wien.
Der Slogan „Mein Körper gehört mir“ gehört mithin zu den wichtigsten Forderungen, die weltweit von feministischen Bewegungen artikuliert wurden und werden. Und auch aktuell nehmen Bezüge auf den eigenen Körper „als Eigentum“ einen wichtigen Stellenwert in queeren, trans und inter Kämpfen ein, um Rechte auf sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung und körperliche Integrität einzufordern. Umgekehrt fordern posthumanistische Ökologien mit ihrem Fokus auf „interconnectedness“ und „natureculture-entanglements“ (Haraway) Vorstellungen eines (körperlichen) „Selbstbesitzes“ heraus und erweitern demnach auch „ältere“ feministische und materialistisch-kommunitarische Kritiken am (liberalen/libertären) Konzept von „Selbsteigentum“ als Grundlage eines individualisierenden, kommodifizierenden, vergeschlechtlichten, rassisierenden und ver-andernden Selbstverhältnis und konstitutivem Moment der kolonialen Moderne. Wie beispielsweise Donna Haraway deutlich macht, „besitzen“ Menschen ihre Körper nicht, sondern leben in komplexer Gemeinschaft als „companion species“ mit u.a. Bakterien, Viren, Pilzen in ihrem Körper bzw. werden sie von diesen nicht zuletzt auch „vastly outnumbered“.
Im Zentrum meiner Auseinandersetzung steht daher die „machtvolle politische Fiktion“ (Anne Phillips) „Selbsteigentum“ sowie damit verbundene Spannungsverhältnisse zwischen Forderungen und Kämpfen für LGBTIQ-Rechte und einer ökologischen Imagination/Realisierung/ Praxis dessen, was Donna Haraway als Chtulucene bezeichnet – „[as] ongoing multispecies stories and practices of becoming-with“: Wie können queere, trans und inter* Vulnerabilitäten und Ent-Eignungen benannt, politisiert und verhindert werden, ohne die Welt, Perspektive und Praxis eines (selbsteigentumskritischen) Chtulucene zu verlassen? Inwieweit wird eine ökologische und solidarische queere Politik gerade erst durch eine radikale Abkehr von Logiken des „Selbsteigentums“ ermöglicht?
In Rückgriff auf posthumanistische Ansätze (Haraway), „ältere“ feministische und kommunitaristische Arbeiten (u.a. Phillips) sowie Judith Butlers und Athena Athanasious Plädoyer für eine Anerkennung von „Dispossession“ möchte ich in meinem Vortrag daher einige Konturierungen einer queeren Politik_Identität jenseits eines liberalen Proprietarismus skizzieren. Dabei werde ich diskutieren, inwieweit eine Neukonzeption des für kapitalistische und „naturzerstörerische“ Gesellschaften konstitutiven Zusammenspiels von „Sein“ und „Haben“, von „Selbst“ und „Eigentum“, von „Identität“ und „Aneignung“, zentraler Gegenstand queerer Transformationsbestrebungen sein muss, wenn aktuelle, u.a. im Zuge der Friday for Future artikulierte, ökologische Forderungen nach einem „No pride on a dead planet“ ernst genommen werden sollen.
Dr. Christine M. Klapeer ist Politikwissenschaftlerin. Ab/seit Herbst 2021 leitet sie den Arbeitsbereich „Internationale Geschlechterpolitik“ an der Universität Kassel. Sie forschte und lehrte an zahlreichen Universitäten wie u.a. der York University, Central European University, Universität Wien und Göttingen. Ihre aktuellen Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich post-/dekoloniale und queere politische Theorien, der Verhandlung von LGBTIQ*-Rechten in der Entwicklungspolitik, sowie utopisch-queeren Re-Perspektivierungen des Verhältnisses von self-ownership und politischer Subjektivität.
In a first part, the article discusses the building blocks of mainstream economic theory as fantastic imaginations - both concerning economic agents and also family models: conomic man in neoclassical economic theory is envisioned as a free, egoistic, autonomous identity, a separate self who is thought to grow like a mushroom fully formed from the earth. Family
relationships are thought of as a complete merging of husband, wife and children ignoring different chances and outcomes for the different parties. Those concepts of the individual and the family are then juxtaposed with the visions for human interactions as proposed by feminist utopias and which have been incorporated into feminist economics: On a micro level, these visions include not only a remodeling of gender identities and gender relations, but also the reorganization of work and the care relationships within households. On a macro level it is stressed that an economic system based on self-interest and the subsuming of others enables a potentially lethal capitalist, patriarchal, colonialist economics which is highly dangerous as it cannot respond to values it does not recognize, such as unpaid housework or inputs of nature.
The COVID-19 crisis is in this piece interpreted as part of a dystopia of deadly inequality reaching the global North. Aside from possible doom, in the second part of the paper this crisis is also discussed as an opening for epistemological change: Options for a utopian journey for feminist economics are described that involve queer, Indigenous, and posthuman theories as travel companions. It is discussed how an evolved feminist economics can - with the inputs of those disciplines - overcome the realm of androcentric and anthropocentric economics and bring forth economic policies allowing not only more justice for queer people, colonized and Indigenous populations, poor women*, care givers, workers in global factories but also preventing the destruction of the environment and the planet per se. Queer theory and its notion of playful futurity points out how relationships and families do not have to be heteronormative, but that there can be fluidity, and that there must be a responsibility for a greater community and certainly no national boundaries. From Indigenous thinking, feminist economics can learn to decenter its dependence on paradigms of Western modernity, a different sense of time, long-term sustenance and respectful, reciprocal and responsible relationships with land and nature. From posthuman theories we can learn to question anthropocentrism based on presumable facts of biology and other natural sciences. A next step following these thought experiments would be the strict recreation of harmful institutions such as systematic individualism, racialization, gender-roles, families/households, nations, money, chrono-normative time and competitive markets to utilize the current crisis for imagining feminist economic alternatives to the prevailing economic order.
https://classroom.aau.at/b/kop-xpb-sjf-nzy
Urmila Goel
Gender was for too long viewed through the optics of sexuality. I want to question this relation through a missing element that is race. That means to take the Black body, Black female body as a threshold of this relation (that is in reference to Axelle Karera possible to be seen only as non-relationality, because of chattel slavery and slave capitalism). On the other side, I will reflect on the new ways how to trespass gender troubles that seem to lie in „female biological functions“ (Mia and Lina Gonan) and show that if we view gender studies through the lenses of trans* and queer bodies, we get new insights to deconstruct the capitalist system of re/production and its system of value. These two research lines will open fundamental dilemmas among gender, class, and race for radical futurity.
Prof Dr Marina Gržinić is a philosopher, theoretician, and artist from Ljubljana, Slovenia. She serves as a professor and research adviser. Since 2003, she is a professor at the Academy of Fine Arts Vienna, in Austria. She publishes extensively, lectures worldwide, and is involved in video productions since 1982. The following is a selection of her books: M. Grzinic and Rosa Reitsamer, New Feminism: Worlds of feminism, Queer and Networking Conditions, Vienna: Löcker, 2008; M. Grzinic and Sefik Tatlic, Necropolitics, Racialization, and Global Capitalism. Historicization of Biopolitics and Forensics of Politics, Art, and Life, US: Lexington Books, 2014; M. Grzinic (ed.), Border Thinking, Academy of Fine Arts Vienna: Sternberg Press, 2018.
Response: Hannah Hacker